Ut promisi nuper in relatione mea, nunc loquar de magistris latinis, qui agendo suo aeque nos delectant quam alii magistri linguis occupati.

Corpore praesentes, animo autem longe absentes discipulis linguam pulcherrimam docere conantur, quamquam non ignorant eos pulchritudinem linguae numquam intellecturos esse…

„Ah, der Lateinlehrer! Veni, vidi, vitschi, hähähä! Die spinnen, die Römer!“

Solche Gesprächsanbahnungen werden von mir meistens mit einem müden Lächeln quittiert, weiß ich doch, dass sich darin das spiegelt, was alle ehemaligen Lateinschülerinnen und –schüler insgeheim noch immer wollen: dem Lehrer durch auswendig gelernte Sprüchlein gefallen. Niemand käme auf die Idee, einen Mathelehrer mit den Worten „Guten Morgen! Kreisfläche gleich Pi mal R Quadrat, was?“ zu begrüßen oder einen Biologen mit „Moin! Meiose ist die Erzeugung von Gameten zur Fortpflanzung!“

Warum also will man unterbewusst diesem Völkchen elitärer Sargträger einer toten Sprache gefallen? Um dies herauszufinden, müssen wir zurückreisen in eine Zeit, da das Fach Latein noch unausweichliche Hürde vor dem Abitur war und sich der Lateinlehrer also zu Recht als Schlüsselwächter zum Tor der Bildung verstand. Auf andere, in seinen Augen profane Fächer wie Deutsch, Religion oder Kunst kann der Latinist nur mit Verachtung herabblicken, hält er diese doch eher für eine Grundlage der sancta latinitas denn für gleichberechtigte Bildungsinhalte. Dazu kommt die seinem Fach innewohnende Exaktheit im Detail, kann doch ein Buchstabe ein lateinisches Wort von Grund auf verändern – und dem geschulten Auge des Lateinlehrers entgeht kein einziger verfehlter Buchstabö. An diesem Maßstab der Perfektion muss der Rest der lateinunkundigen Welt scheitern, was der Latinist kopfschüttelnd, aber milde lächelnd zur Kenntnis nimmt, um sich seinerseits herabzulassen, den armen Seelen zur Erleuchtung zu verhelfen.

Solche Geisteshaltungen gehen am sozial-persönlichen Duktus üblicherweise nicht spurlos vorbei und so bekommen die Lateinlehrer auf der nach oben offenen Nerdskala eine glatte 12, knapp unterhalb der Physiklehrer (ihr seid beim nächsten Mal dran!), da sie sich über Platons Dialoge ebenso beömmeln können wie über falsche Antworten beim Mythologiequiz auf der institutseigenen Weihnachtsfeier nach zwei Glühwein (ehrlich, das ist weitaus weniger witzig als es klingt!).

Ganz so hüftsteif wie man vermuten könnte, ist der Lateiner jedoch nicht, kann er doch aus dem Vollen eines eigens dafür erfundenen Genres schöpfen: des Lernreims. Jeder Exprimaner salutiert noch nach Jahrzehnten, gehörig konditioniert auf Anfrage die unregelmäßigen Pronomialadjektive: „Unus, solus, totus, ullus, uter, alter, neuter, nullus und uterque haben alle –ius in dem zweiten Falle. Und im Dativ enden sie wie alius mit langem –i. Sir!“ Und zum gemeinschaftlichen Aufsagen von hic, haec, hoc wird der Dirigentenstab gezückt.

Unnötig zu sagen, dass der Lateinlehrer ebenso wie andere Fremdsprachler völlig entgeistert ist, wenn er erfahren muss, dass seine Lieblingssprache nicht allen Schülerinnen und Schülern auf Anhieb so logisch und wundervoll vorkommt wie ihm selbst. Dann eilt er schluchzend hinauf ins Elfenbeintürmchen und tröstet sich mit Platons „Gorgias“ oder einem anderen gut abgestandenen Schinken, in eine Welt aus Acis, Partizipialkonstruktionen und Anaphern flüchtend, um die harte Schulrealität nicht mehr ertragen zu müssen.

Glücklicherweise gilt all das zuvor Gesagte nicht für IGS-Lateinlehrer. Die sind einfach nur cool.