Irgendwann liegen die Formulare dann wieder im Kasten.

„Ach ja, ist ja schon wieder so weit.“

Die Rede ist von den Wahlen der Elternvertreter in den Klassen im Rahmen eines Elternabends im Spätsommer. Die demokratorische Pflicht ruft – und hört dieser Tage immer häufiger nur ihr eigenes Echo. Vorbei die Zeiten, als Kampfabstimmungen vor vollversammeltem Publikum in Stichwahlen gipfelten, um den oder die Beste zu küren, um die eigene Klasse für die nächsten zwei Jahre würdigst zu vertreten. Stattdessen – leere Stühle, pflichtschuldige Mienen und Witze, die das Offensichtliche humorvoll einzukleiden versuchen: „Heute kriegt jeder mindestens ein Amt ab.“ und „Da draußen läuft noch einer. Den wählen wir!“

Dabei rotierten die Klassenlehrkräfte schon seit Schuljahresbeginn beim verzweifelten Versuch, die Klassenelternschaft möglichst zahlreich an die Wahlurnen zu rufen. Wichtigste Strategie: Aufforstung der Tagesordnung. TOP 1 – Wahlen (damit sie schnell vom Tisch sind), danach folgen diverse brandheiße Infos über schulische Regularien, Wahlpflichtkurse und die neuen Saiten, die die Klassenlehrkräfte – da war man sich in der Vorbesprechung aber sowas von einig – jetzt aufziehen wollen. Breaking News! – In der Mensa wurde ein Wasserspender aufgestellt! Können Sie es sich leisten, dieses Info-Bombardement zu verpassen und nicht up to date bei der Findungsphase der Klasse zu sein?

Wenn alles nichts hilft, kommt der Gassenhauer schlechthin aufs Tapet: Klassenfahrt! Wer da nicht kommt, hat es definitiv nicht verdient, die vagen Spekulationen über Ziel, Datum und Finanzrahmen der Gruppenbespaßung in einem Jahr zu erlauschen!

Zieht der Inhalt keine Massen an, dann vielleicht der äußere Rahmen: Warum der steril-neonbeleuchtete Klassenraum mit Stuhlkreis? Warum nicht Kerzenschein, Kuchen, Kaffeeautomat? Oder der Urnengang wird komplett outgesourct und in den Biergarten verlegt, wo Vattern sein Kreuz zwischen zwei Herrengedecken machen kann. Hauptsache, es kommt nicht zu diesen schweigsamen, ständig auf die Uhr guckenden Kleingruppen, deren Mitglieder auf ihrem Stuhl versteinert scheinen, in der Angst, auch nur die kleinste Bewegung könnte als Zeichen der Bekundung von Interesse gedeutet werden, eines der Klassenämter zu bekleiden. Hier allerdings sitzen die Lehrkräfte am längeren Hebel, werden sie doch die angelockten Erzeuger ihrer Schützlinge nicht eher entlassen, bis die Wahlpapiere ausgefüllt sind. Man munkelt, dass es dabei schon manches Mal auf elf Uhr zuging. Mir in Erinnerung bleibt auf jeden Fall der Wahlabend, an dem eine Kollegin der Parallelklasse zwischendrin den Kopf zur Tür hereinsteckte und peinlich berührt fragte: „Du, Volker? Wie ist das denn, wenn keiner gewählt werden will? Was mache ich denn da?!“

Fast dankbar denkt man an andere Abende, als überinteressierte Erziehungsberechtigte vor allem das Einzelgespräch suchten, während man selbst versuchte, eine einigermaßen souveräne Moderation des Gruppentalks hinzulegen. Zu viele Helikopter in der Luft. Heute sucht man nach abgetauchten U-Booten.

Ist dann alles überstanden, haben alle Beteiligten zumindest bis zur nächsten Konferenz Ruhe, wenn es heißt: „Und ich begrüße auch unsere Elternvertreterin, Frau…äh…“ Gut, wenn selbige diesen Fauxpas bis zum Ende ihrer Amtsperiode wieder vergessen hat, denn beim nächsten Elternabend werden die Klassenlehrkräfte mit ihren großen Kulleraugen wieder vor ihr sitzen und auffordernd nicken:

„Helga, mach et doch nochmal. Büddebüdde.“