Wie üblich schlecht gelaunt betritt er sein unterkühltes Kabuff, wirft die Tasche zur Garderobe, greift sich einen Becher und schickt ein Stoßgebet zum Himmel, dass die Kaffeemaschine noch einen Tag länger durchhält und ihm das Einzige spendiert, das ihn heute nach vorne bringen kann. Gedankenverloren blickt er aus dem Fenster. Was mag dieser Tag schon bringen, denkt er.
Wie üblich schlecht gelaunt betritt er sein unterkühltes Kabuff, wirft die Tasche zur Garderobe, greift sich einen Becher und schickt ein Stoßgebet zum Himmel, dass die Kaffeemaschine noch einen Tag länger durchhält und ihm das Einzige spendiert, das ihn heute nach vorne bringen kann. Gedankenverloren blickt er aus dem Fenster. Was mag dieser Tag schon bringen, denkt er.
Doch da geschieht es: Vor dem Fenster segelt zuerst ein Blatt, dann mehrere Blätter nacheinander vorbei. Braune Blätter.
Ein Blick auf den Kalender hebt seine Laune dann so richtig: Es ist wieder September, also Herbst, die Zeit der fallenden Blätter!
Vergessen ist der Kaffee, schnell schlüpft er in die Jacke, begibt sich zum Geräteschuppen, wo sein Schatz viel zu lange unbeachtet liegen musste. Liebevoll nimmt er den Laubbläser in den Arm, füllt Benzin nach, wischt das Gehäuse noch einmal sauber, naja, so sauber, wie es nach fünfzehn Dienstjahren noch möglich ist. Stolz tritt er auf die Außenanlage und freut sich wie ein Grundschüler, wenn es gerade zum ersten Mal geschneit hat: Überall liegen gelbbraune Blätter auf den Wegen: Kastanie, Ahorn, Linde, es ist alles da. Nur die Eiche lässt sich noch ein wenig bitten. Aber er kann warten.
Als der Motor das erste Mal aufheult, überkommt ihn eine Gänsehaut. Er setzt den Lärmschutz auf und wird die nächste halbe Stunde in einer Blase zubringen, in der es nichts gibt außer einem fernen Grundton und den Blättern zu seinen Füßen. Denn das ist seine Mission: Die botanischen Todesfallen von allen Laufwegen zu entfernen. Nicht im wörtlichen Sinne – er sammelt sie nicht etwa auf, um sie in Säcke zu packen. Er sorgt nur dafür, dass niemand darauf ausrutschen oder sich anderweitig stören kann, indem er sie vom Pflaster auf das Grün befördert. Und das mit heiligem Ernst und deutscher Gründlichkeit: Kein Hinterhof ist zu abwegig, keine Sackgasse zu weit entfernt. Früher oder später erwischt er sie alle.
Sicher, am Boden klebendes Laub nach einem der vielen Regengüsse, die ihn zu einer Pause zwingen, macht ihm das Leben schwer, da muss das Gebläse Überzeugungsarbeit leisten, das ist auch nicht immer schön. Aber es ist seine Pflicht und er erfüllt sie treulich.
Vor ein paar Wochen saß er noch auf dem Bock des großen Aufsitzmähers und drehte darauf seine Runden durch die Grünflächen. Ein König, der sein Reich bereist. Aber wenn der Herbst kommt, befällt ihn der bange Gedanke, dass es bald Abschied nehmen heißt von seinem treuen motorisierten Ross. Keine morgendliche Tour über den Bolzplatz mehr, kein Nachschnitt am Begleitgrün. Doch nun hat die Laubbläsersaison begonnen und das entschädigt ihn über alle Maßen.
Er versinkt in einer Art Trance, während der Luftstrahl über unbenutzte Fahrradständer streift. Er wird eins mit dem Wind. Andere mögen sich solche satisfying Videos auf Youtube ansehen – er holt sich die Satisfaction direkt von der Quelle. Er macht die Welt ein bisschen sauberer, ein bisschen besser. Er ist der Heiland, auf dessen Ankunft niemand gewartet hat, dessen Werk aber alle loben müssen, wenn sie es sehen.
Nur der Lehrer nicht, der dort oben mit seinen Schülerinnen und Schülern im Neonschein hockt. Er hat nie mit ihm gesprochen, aber einmal hat er sein Gesicht gesehen, als er aus dem ersten Stock nach unten blickte. Die pure Abscheu. Keine Wertschätzung seiner Wohltaten für die Schulgemeinschaft. Er braucht wohl seine künstliche Stille, um unterrichten zu können. Als wäre die Welt ein stiller Ort. Als könnte man diese Kinder auf das Leben da draußen vorbereiten, in dem es immer laut zugeht, wenn man sie zu Arbeit im Schweigen verpflichtet und den Klang der Welt versucht auszusperren. Ob der Lehrer das je verstehen wird, fragt sich der Laubbläser.
Dann verlässt er den Hinterhof. Der Laubbläser wandert wieder in den Schuppen. Seine Hände kribbeln angenehm von den Vibrationen des Geräts, die nun verstummt sind. Als er abschließt, landet etwas auf seiner Schulter. Dankbar nimmt er es in die Hand.
Das erste Eichenblatt der Saison. Morgen ist wieder ein großer Tag.