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Es gibt drei Worte, die treiben Eltern ebenso wie Pädagogen in den Wahnsinn. Jedes auf seine eigene Art und Weise und zu einer anderen Zeit.

Nein!
Warum?
Aber!

Das erste Mal wünscht man sich als Elternteil zum Südpol, wenn sich für das zarte Kleinkind die Büchse der Pandora in Form des allgegenwärtigen „Nein!“ öffnet und es feststellt, dass man auf elterliche Anweisungen auch anders als mit „Ja!“ antworten kann – und wieviel Spaß man damit haben kann! (Literaturtipp: Marc-Uwe Kling – Das Neinhorn. Spitze!)

Im Kindergartenalter steht dann die Generation Why, wie ich sie liebevoll nenne, in den Startlöchern (also Why wegen englisch Y…egal). Sie definiert sich über den Drang, herauszufinden, was hinter den Dingen steht…und hinter den Dingen, die dahinterstehen…und hinter den Dingen, die hinter den Dingen… genau. Das Spiel ist ja denkbar einfach: Frage solange immer wieder „Warum?“, bis sich das Gesicht deines Erziehungsberechtigten dunkelrot verfärbt hat und er (je nach Elternhaus) mit „WEIL ISSO!“, „WEIL GOTT ES SO GEWOLLT HAT!“ oder „ICH WEISS ES NICHT!“ antwortet. Völlig unverständlich, wie man da so aus der Haut fahren kann. Fragen sind doch was Tolles*.

Irgendwann in der Spätpubertät dann ist der Nachforschungsdrang gesättigt, das Fass also – sehr frei nach Heraklit – gefüllt und die Flamme aber sowas von entzündet. Der Nachwuchs beginnt nunmehr mit der sokratischen Methode die vermeintliche Allwissenheit der Altvorderen in Frage zu stellen: Bühne frei für das „Aber!“

Bewaffnet mit einem Rucksack soliden Halbwissens, einem gespitzten Zeigefinger und einer gehörigen Portion Nonchalance bestreitet das Diskutier nun seinen Vormittag mit der Demontage des sorgsam geplanten Unterrichts. Mit stetem Tropfen stellt es jede Aussage des Pädagogen da vorne auf den Prüfstand, was schon bald seine Wirkung zeigt: Immer wieder wandert dessen Blick angstvoll in die erste Reihe, ob Charlotte oder Friedrich (Namen völlig zufällig gewählt) ihr Okay zu dem gerade beendeten Sermon geben oder ob Inspektor Columbo nicht doch vielleicht „nochmal eine Frage hätte, nur fürs Protokoll“. Unbelehrbar verweigert sich der Skeptiker selbst banalsten Wahrheiten, sieht selbst bei mathematischen, also ewigen, Wahrheiten noch Diskussionsbedarf und bezieht in lehrergewollten Debatten grundsätzlich die Gegenposition der Mehrheit. Der Advocatus Diaboli pocht auf buchstabengetreue Ausführung der Aufgabenstellung, nutzt jegliche Spielräume in schwammig formulierten Anordnungen und sät die Saat des Zweifels so tief in den pädagogischen Boden, dass darauf Kompetenzen und Wissen nur noch schwerlich Wurzeln schlagen können. Sein Mantra ist das von Nick Naylor (fantastisch: Aaron Eckhart in „Thank you for smoking“): „Wenn du gut argumentierst, hast du immer Recht!“

* siehe auch Episode 45: „Frage nicht nach Wundern – wundere dich über Fragen!“

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Zwei Dinge zum Nachdenken. Erstens: Die Spezies Diskutier steht auf der roten Liste der gefährdeten Schülertypen. Ausgedachten Schätzungen zufolge findet nur noch in jedem zehnten Kurs eines ein Zuhause.

Zweitens: Der Buddhist in mir sagt: „Heiße die Kritik willkommen! Wie kannst du besser die Qualität deines Unterrichts prüfen, als durch abertausende „Abers“? Was willst du eigentlich: Dass die Kinder die Tafel abschreiben und du deine Ruhe hast? Oder dass sie sich kritisch damit auseinandersetzen und dich und den Rest des Kurses gratis an ihrem Akkomodationsprozess teilhaben lassen? Über Sand zu gehen ist einfach – über Kieselsteine zu gehen, kräftigt die Füße!“

Hast ja Recht, Buddhist. Aber…!