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Liebes Schuljahr 2020/21,

schade, dass du endlich zu Ende bist! Wir haben uns eigentlich nie persönlich ausgesprochen, weshalb ich dir in diesem Brief einen kurzen Rückblick auf unsere gemeinsame Zeit und einen kleinen Einblick in meine Gefühlswelt geben möchte. Ich hoffe, du hast dir während des Lockdowns ein dickes Fell wachsen lassen. Es wird vielleicht auch einige Anmerkungen geben, wie du es beim nächsten Mal besser machen kannst. Viel besser.

Dabei hatte eigentlich alles ganz gut angefangen mit dir: Neues Gebäude, schicke Klassenräume, dazu volle Klassen und volles Lehrprogramm. Vergessen waren die langwierigen Übungsstundenmarathons vom Ende deines Vorgängers, da wurde aber sowas von durchgestartet und Motivation groß geschrieben, jawollo!

Leider ist dir dann im Winter sehr schnell die Puste ausgegangen. Da hieß es: Zack, alle arbeiten jetzt wieder von zu Hause aus, bis das Aufgabenmodul glüht! Das galt natürlich auch für die Lehrkräfte und ihre Versammlungen, die nur noch online stattfanden – oder gar nicht. Da gab es schon Licht und Schatten, liebes Schuljahr – zwar hast du uns so vor manchem Termin bewahrt und die Effekivität der Zusammentreffen wurde spürbar erhöht (die Anzahl unnötiger Redebeiträge ging gegen Null!), aber dafür hatte man zeitweise das Gefühl, auf einer Insel zu leben. Die Aussprachen, Ankündigungen, Stimmungen einer Gesamtkonferenz, der Blick in die Runde der erschöpften Gesichter einer Fachdienstversammlung oder auch das allwöchentliche Jahrgangsfrühstück – all das hat mir gefehlt.

Schrittweise durften wir dann wieder zurück ins Schulgebäude, aber nur mit Masken, zuerst die aus Stoff, dann auch noch die dicken, durch die man so schwer Luft bekommt. Zuerst nur auf den Fluren, dann auch noch im Unterricht. Das hat keinen Spaß gemacht, liebes Schuljahr, weder bei Null noch bei 32 Grad Außentemperatur. Du warst dann auch so soziophob drauf und meintest: „Neenee, all diese Schüler*innen, das wird mir zuviel, nachher wird das hier zum Superspreading-Event, macht ihr mal schön halbe-halbe!“ Das war ganz schön trostlos, kann ich dir sagen. Fast habe ich die lebhaften Klassenstunden aus Jahrgang 5 wieder herbeigesehnt, in denen zwar über jeden Mist diskutiert wurde, dafür aber mit Wumms! In dir, liebes Schuljahr, ist man häufig leidenschaftslos von der Klassen- in die Übungsstunde hinübergeglitten. Und der sonstige Unterricht, wenn man diesen frontalen Lehrer-Schüler-Austausch, weitgehend ohne schülerinterne Kommunikation so nennen kann? Größtenteils ein großes Frage-Antwort-Spiel. Man meckert oft über ineffektive Gruppenarbeiten, Partnertandems, Tafelanschriebe durch Schüler*innen, Lernstationen und und und…aber jetzt merkte man, wie wichtig und abwechslungsreich sie sind.

Aber ich will nicht verschweigen, dass das auch seine guten Seiten hatte: Manche Schüler*innen haben sich in der Kleingruppe viel mehr zugetraut, wurden mündlich aktiver, konnten ihre Übungsstunden effizienter nutzen. Außerdem habe ich noch nie so entspannte Pausenaufsichten erlebt, ganz ehrlich.

Dann kam dir in deinem Wankelmut wieder eine neue Idee: Die Schüler*innen sollten sich zweimal pro Woche zu Hause testen und es war ja klar, wer dafür die Logistik (Tests austeilen, morgens Listen abhaken, Unterschriften leisten, Ungetestete im Jahrgang nachtesten) übernimmt. Dafür hast du uns dann irgendwann auch alle Schüler*innen zurückgegeben und das Aufgabenmodul durfte erstmal wieder eingemottet werden. So konnten Abschlussklassen zumindest teilweise noch ein wenig Zeit miteinander verbringen und ihren Abschiedsfeierlichkeiten immerhin im kleinen Rahmen nachgehen – nach einem kleinen Auffrischungskurs „Sozialer Umgang für Anfänger“. Ein ziemlich schwacher Trost, wenn du mich fragst. Denn du hast das soziale Miteinander schon ein Stück weit beschädigt: Es wird viel weniger umarmt, das herzliche Lachen bleibt hinter der Maske eingesperrt, der Schulterschluss erfolgt mit 1,50 m Abstand. Du hast uns aufgeteilt in Bedenkenträger und Pandemieskeptiker, die einen gemeinsamen Umgang miteinander finden mussten.

Kurzum: Du hast uns allen einiges abverlangt. Vielleicht reflektierst du darüber mal.

Du warst ein besonderes Schuljahr, aber sicherlich keines, das ich gerne wiederholen möchte. Sorry.

2021/22, go for it!

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