Stirbt ein Bediensteter während einer Dienstreise, so ist damit die Dienstreise beendet.

- Kommentar zum Bundesreisekostengesetz

Es gibt eine unsichtbare Trennlinie, die quer durch die Schule verläuft. Durch Jahrgänge, Fachbereiche, über Geschlechtergrenzen und teilweise sogar durch Familien. Nein, es geht nicht um die Frage, wer der nächste deutsche Meister wird. Der Unterschied ist viel subtiler, so subtil glücklicherweise, dass man ihn im Alltag kaum bemerkt. Denn ein Teil des Lehrkörpers besteht aus Beamten und Beamtinnen, ein anderer aus Angestellten (…und…Angestelltinnen?). Der ersten dieser beiden Gruppen möchte ich mich heute widmen. Denn Beamter/Beamtin*, das ist nicht nur ein Wort, sondern eine Lebenseinstellung! Und hier soll nun wirklich keine Neiddebatte über Pensionsansprüche oder Unkündbarkeit vom Zaun gebrochen werden, sondern wir wagen uns an ein psychologisches Profil des speziellen Beamtentypus Lehrkraft. Dieser wird zwar größtenteils von den üblichen Klischees verschont, was z.B. Schlafen während der Arbeitszeit angeht, aber Faulheit attestiert man ihnen schon ganz gerne. Der Stachel sitzt tief, aber da brauche ich gar nicht wortreich auf unschuldig zu plädieren – denn das habe ich bereits getan. Davon abgesehen hat die beamtische Zunft sich im Laufe der Jahrzehnte mancherlei Methode erdacht, die Bevölkerung, an deren finanzieller Zitze sie im Grunde hängt, davon zu überzeugen, wie wichtig und sinnvoll ihr Portfolio an Tätigkeiten eigentlich ist. Dazu haben sie das Protokoll als literarische Großform entwickelt, die bestmögliche Komprimierung an Information, die es gibt.

Mag es den Physikern noch an einer Weltformel zur Vorhersage des Großen Ganzen fehlen – die Beamten bemühen sich, das Große Ganze der Vergangenheit zumindest lückenlos zu protokollieren. Noch heute können Eingeweihte Gesamtkonferenzen von vor zehn Jahren vor ihrem geistigen Auge neu entstehen lassen – steht alles auf Iserv. Und dürfen Mitleid mit dem armen Kollegen oder der armen Kollegin empfinden, die das alles über Stunden in den Laptop hacken musste. Wobei, warum Mitleid? Das ist eben der Preis für das staatliche Rundum-Sorglos-Paket, deal with it! Genauso die innerschulischen Zusammenkünfte der Jahrgänge, Fachbereiche, Arbeitsgruppen und und und, deren Sinnhaftigkeit sich dem unbedarften Beobachter nicht immer sofort auf Anhieb erschließt. Für solches Unverständnis hat man übrigens die Universalausrede erfunden: „Das ist historisch so gewachsen.“ (Up platt: „Dat hebben wi all immer so maakt.“ bzw. „Dat hebben wi noch nooit so maakt.“ bzw. „Wor kummen wi denn daar hen?“)

Apropos Zusammenkünfte: Hier ist besondere Vorsicht geboten, denn es gilt der Grundsatz: Informationen, die einen Beamten nicht auf korrektem Dienstweg in korrektem Zeitrahmen erreichen, existieren für ihn gar nicht. Und so entzieht er sich der Dienstveranstaltung, denn: „Offiziell weiß ich davon gar nichts.“ Manche haben sich extrem stramm sitzende Scheuklappen verordnet und fragen sich bei jeder Entscheidung: Ist das zulässig oder schon zu lässig? Und das bleibt beim sensiblen Lehrkörper nicht ohne Folgen: Vor lauter Sorgfalt viel zu viele Sorgenfalten! Okay, ich höre auf mit den Wortspielen. Ich muss nur ein wenig auf die Lachtränendrüse drücken, denn man hat neben all diesen Widernissen dem Beamten auch noch fast jegliche Möglichkeit genommen, sich gegen Drangsalierung von oben zur Wehr zu setzen. Seine einzige Waffe ist die Drohung mit dem berühmten „Dienst nach Vorschrift“. Klingt erstmal harmlos, wie „ich mache das, was mir gesagt wird“, heißt aber im Umkehrschluss: „Klassenfahrten mit mir könnt ihr euch abschminken, die freiwillige Arbeitsgruppe kann mich mal, der Schülerrat soll sich selbst konstituieren und um 13 Uhr lasse ich den Stift aber sowas von fallen.“ All die Dinge des freiwilligen Engagements über den eigentlichen Schuldienst hinaus also, ohne die jede Schule aufgeschmissen wäre. Das ist die Grenze des Beamtentums. Und wer sie zum Wohl seiner Schüler*innen oder Kolleg*innen überschreitet, muss sich meistens mit dem wohltuenden Gefühl begnügen, eine gute Tat vollbracht zu haben. Deshalb an dieser Stelle – egal, ob ihr Beamter seid oder nicht – ein riesiger Dank für die Betreuung der Schülervertretung, die Pflege der Homepage, das Engagement im Förderverein, die Begleitung der Abschluss- und Abiturfeierlichkeiten, jede einzelne Exkursion, auf die ihr eure Schüler*innen mitgenommen habt, die Aufsicht bei der Back-again-Party (when will it be back again?), die Arbeit im Schulvorstand und im Personalrat, das Projekt zum Tag der Offenen Tür, das Tapezieren mit Motivationssprüchen, die zahllosen Anrufe bei Eltern nach Feierabend, Hausbesuche bei kranken Schülern, um sie mit Aufgaben zu versorgen und diejenigen, die nach jeder Feier noch eben dableiben und mit aufräumen. Ihr seid großartig.

* Verwunderlich, dass der Beamtenapparat hier noch kein genderneutrales Wort wie etwa „das Beamtum“ ins Leben gerufen hat. Ich lasse ab hier mal das Gendern sein, stellt euch einfach ein geschlechtsloses, graues Wesen vor.