„You gotta fight for your right to drink cooooffeeee!“ (Folge 123)

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Entschuldigung, ich hatte mich verquatscht beim letzten Mal. Das sollte eigentlich eine lockere Plauderei werden und endete wieder mal in einer Grundsatzrede. So ähnlich wie ein Schwätzchen mit dem Kollegen im Türrahmen: Es beginnt mit „Hast du den Test in Klasse 8 schon geschrieben?“ und endet mit „Das ganze System müsste mal komplett umgekrempelt werden!“ Das geht offenbar auch im Monolog, wie ich in der letzten Episode feststellen musste.

Wo war ich? Ach ja, ich versuchte herauszuarbeiten, wie die Lehrkraft an sich auf das hohe Podest aus Ehrfurcht und Respekt gelangt ist und wie man sie dort wieder herunterholt. Dabei war die Frage eigentlich: Was dürfen Lehrkräfte sich in puncto Auftreten und Verhalten erlauben und was geht nicht?

Hier gehen die Vorstellungen erwartungsgemäß weit auseinander, je nachdem, wen man fragt. Deshalb habe ich als Hobbyjurist für die folgenden Fallbeispiele eine fünfstufige Legitimitätsskala einführt, wobei ein Rotstift bedeutet: „Geht klar!“, und fünf Rotstifte: „Geht gar nicht!“. Die Einschätzung ist rein subjektiv und könnte zu Diskussionen führen – wenn das so ist, habe ich wohl alles richtig gemacht, denke ich – ich habe aber zur Verschleierung den Bescheidenheitsplural verwendet, falls das hilft.

Fall 1: Herr Schneider setzt sich während des Unterrichtsgesprächs auf einen (nicht besetzten) Tisch.

Für Herrn Schneider ein Akt der Legerie (wenn es das Wort nicht gibt, bitte erfinden!) oder der Unachtsamkeit, für einige schon ein Überschreiten der roten Linie. Der Tisch wird’s verkraften, die sensible Schüler*innenseele allemal. Einer von fünf Rotstiften.

Fall 2: Frau Freimuth betritt mit einem koffeinhaltigen Heißgetränk in der Hand den Unterrichtsraum und trinkt während der folgenden 90 Minuten mehrmals davon.

Hier regt sich schon Unbehagen: Wird das Unterrichtsgeschehen vom ständigen Griff zum Kaffee beeinträchtigt? Nutzt hier jemand das Machtgefälle aus? Andererseits: Wenn die Pause wegen leider notwendiger Gespräche mit Schüler*innen, Kolleg*innen oder Eltern keine Erholung bietet und es danach direkt wieder an die pädagogische Front geht, darf man der Kollegin doch einen Schluck vom Lebenselixier gönnen. Wir meinen: Drei von fünf Rotstiften.

Fall 3: Herr Klein kommt gewohnheitsmäßig sieben Minuten zu spät in den Unterricht, weil er sich von den (nicht notwendigen) Gesprächen im Lehrerzimmer einfach nicht trennen kann, ähnlich wie Hausgäste, die ständig sagen: „So, jetzt muss ich aber los!“ und dann noch an der Sofakante, an der Garderobe und an der Haustür stehenbleiben, weil ihnen noch sooo viel einfällt. Das können wir nicht tolerieren! Fünf von fünf Rotstiften!

Fall 4: Herr Reuters betritt zur Sommerzeit in einer nur knielangen Hose das Schulgebäude.

Ganz schwieriger Fall. Eigentlich müsste der Gleichbehandlungsgrundsatz greifen, denn der weibliche Teil des Lehrpersonals darf so etwas durchaus. Andererseits leidet der Respekt vor Herrn Reuters beim Anblick seiner Stachelbeerbeine  doch erheblich. Das wären eigentlich vier von fünf Rotstiften. Unser Tipp: Diese Bewertung lässt sich auf zwei Rotstifte reduzieren, wenn der Kollege zum Epilierer greift!

Fall 5: Frau Wagner ist am Handgelenk tätowiert.

Grundsätzlich alles von der Kunstfreiheit gedeckt, von der Meinungsfreiheit sowieso, extreme Botschaften einmal ausgenommen. Andererseits: Hey, selbst die Yakuzas lassen sich nur so tätowieren, dass im Zweifelsfall der Smoking alle Koi-Karpfen abdecken kann. Eventuell Kollision mit anderen Spannungsfeldern, siehe Fall 4. Das Gericht geht in die Revision, bis dahin gilt die Übergangskulanz: einer von fünf Rotstiften.

Dann mal los. Shitstorm in 3…2…1…

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