Eine junge Frau steht in der Fußgängerzone, im Arm eine schwarze Gitarre, spielt etwas von Coldplay oder Ed Sheeran und singt dazu. Schön singt sie. Ich gehe vorbei, lächle und nicke ihr zum Gruß zu. Ich könnte ihr länger zuhören, aber meine Empathie und mein schlechtes Gewissen lassen mich den Schritt beschleunigen. Empathie deshalb, weil die junge Frau meine Schülerin im Oberstufen-Mathekurs ist und ich nicht will, dass sie das Gefühl hat, in einer Prüfungssituation zu sein. Und schlechtes Gewissen deshalb, weil ich meiner Betriebsblindheit voll auf den Leim gegangen bin.
So, was haben wir letzte Stunde gemacht? Wer weiß es noch?
Viel ist hier schon geschrieben worden über Unterrichtsstörungen, Begriffsstutzigkeit oder enervierende Endlosdiskussion von Seiten der Schüler*innen. Doch es gibt eine Frage, die an den Grundfesten jedes lehrenden Personals rühren muss, die Gretchenfrage aller schulischer Pädagogik und jeglichen Unterrichts.
Entschuldigung, ich hatte mich verquatscht beim letzten Mal. Das sollte eigentlich eine lockere Plauderei werden und endete wieder mal in einer Grundsatzrede. So ähnlich wie ein Schwätzchen mit dem Kollegen im Türrahmen: Es beginnt mit „Hast du den Test in Klasse 8 schon geschrieben?“ und endet mit „Das ganze System müsste mal komplett umgekrempelt werden!“ Das geht offenbar auch im Monolog, wie ich in der letzten Episode feststellen musste.